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Das Lokal im Bürgerhaus Wißmar

Info: Von Zeit zu Zeit erscheinen auf diesem Blog auch Restaurantkritiken, die in höchstem Maße subjektiv und von unseren mitunter einmaligen Erfahrungen abhängen – sie stellen insofern noch weniger eine objektive Darstellung dar als unsere übrigen Beiträge. Die Kritik stellt eine Momentaufnahme aus dem Januar 2018 dar und kann nicht unbedingt verallgemeinert werden.

In Wißmar, einem 5.000 Seelen Ortsteil der Stadt Gießen, ist es nicht so einfach, wenn man nachmittags eine Tasse Kaffee trinken möchte oder abends etwas essen möchte. Eine Möglichkeit ist das Lokal im Bürgerhaus Wißmar. Sie öffnen um 15 Uhr, also zur Kaffeezeit und ab 17:30 ist auch die warme Küche geöffnet. In einem recht modern gestalteten Gastraum läuft ein leises Radio, man kann wahlweise an normalen Stühlen oder in Sesseln sitzen und auch eine ordentliche Biertheke rundet das Interieur der Gaststätte ab. Die Gaststätte sieht sauber und gepflegt aus, auch die Sanitärraume sind gut gepflegt – wenngleich es immer etwas dämmrig wirkt und auch der Gastraum nicht sonderlich einladend wirkt.

Kaffee & Tee

Wichtig zu wissen, ist, dass, selbst wenn ein Tisch für 15 Uhr reserviert ist, das noch nicht bedeutet, dass man schon eine Viertelstunde vorher hereinkann, sodass alle Gäste eintrudeln können – bis 15 Uhr ist die Tür zu. Wir waren an einem Samstagnachmittag da und den ganzen Nachmittag waren – von unserer Gruppe von 8 Personen abgesehen – nur noch vier weitere Gäste da. Das mag an dem zwar durchaus annehmbaren, aber eben auch nicht sonderlich aromatischem Kaffee liegen. Zwar werkelt hörbar ein Automat, der frische Bohnen ausgibt, dennoch ist der Kaffee eher auf einem mittleren Bäckerniveau, die Schichten des Latte Macchiato sehen doch eher traurig aus. Auch der Tee ist keinen Ausflug wert. Statt Gastroqualität tummeln sich Supermarkttees von Teekanne und Meßmer, ein Beutel auf ein Kännchen (ca. 0,3l). Na klar, wenn niemand Tee kauft, kauft man keinen teuren, es ergibt sich hieraus nur ein weiteres Henne-Ei-Problem:

Die Kuchenauswahl.

Es gab bei uns die Auswahl zwischen einer Windbeuteltorte (Biskuitboden mit Tiefkühl(?)windbeuteln und einer eher unauffälligen Tortencreme, mit einer Beerenzubereitung garniert; siehe Foto) und einer Pfirsich-Maracujatorte (Biskuitboden mit Dosenpfirsich, Tortencreme und einer Schicht Pfirsich-Maracuja-Creme. Das ist nicht besonders viel Auswahl – und auch nicht das, was man in einem kleinen Dorf erwarten würde. Es gibt wohl an anderen Tagen noch zwei weitere Torten, aber meist nie mehr als drei an einem Tag. Wo ist der tolle Apfelkuchen nach Omas Rezept, ein guter Käsekuchen und eine klassische Schwarzwälder? Die Torten waren durchaus wohlschmeckend, aber nichts Besonderes und bei weitem nichts, weswegen man wiederkommen würde. Und natürlich, am gesamten Nachmittag haben die Wirtin und ihr Küchenchef kaum 15 Stücke verkauft, es lohnt sich also nicht, noch mehr Torte zu machen oder der Torte – eine halbwegs routinierter Hobbybäcker kann die beiden Kuchen wohl in einer knappen Stunde aufs Tableau zaubern – mehr Aufmerksamkeit zu widmen, führt aber auch nicht dazu, dass man nicht nach Gießen fährt – oder gar von dort wegen des Kuchens kommt.

Das Essen

Licht und Schatten prägen das Essen. Ich hatte eine Folienkartoffel, die total in Ordnung, preislich fair und mit leckerem Quark garniert war. Doch die Salatbeilage war nicht appetitlich. Die zwei Blätter knirschten unangenehm beim Kauen und hinterließen Sand zwischen den Zähnen – wirklich frisch sahen sie auch nicht mehr aus. Angenehmerweise wurden die Schnitzel statt in der Fritteuse in der Pfanne gebraten, sie schienen selbst paniert und waren inklusive der Panade sehr schmackhaft. Leider wurden sie vermutlich in kaltes Fett gelegt, sodass sie am Ende enorm fettig auf den Tisch kamen. Die Schupfnudeln sahen einem Fertigprodukt sehr ähnlich, doch immerhin gab es frische Pilze zum Schnitzel. Insgesamt also viel Schatten, aber auch etwas Licht. Mit heißem Fett wäre zumindest das Schnitzel ein Grund zum wiederkommen gewesen – und die zahlreichen kleineren Gerichte auf der Karte versprechen immerhin das, was man in einem Dorf erwartet: Etwas Warmes im Bauch für vertretbares Geld – auch die Getränke sind preislich absolut im Rahmen.

Dafür dauerte das Essen recht lange. Fast 45 Minuten haben wir auf Schupfnudeln, Pommes, Folienkartoffel, Schnitzeltoast und zwei Schnitzel gewartet – parallel waren noch drei Biergäste und zwei weitere Essensgäste im Lokal. Was passiert, wenn die >30 Sitzplätze voll belegt sind, mag man sich nicht ausdenken. Auch hier: Die Wirtin ist mit ihrem Koch alleine und verlässt teilweise den Gastraum – mutmaßlich zum Helfen in der Küche – aber mehr als zwei Leute kann die aktuelle Auslastung auch kaum ernähren.

Der Service

Und hier kommen wir zum schwierigsten Punkt: Der Service. Ich vermute, wie gesagt, dass die Pächterin den Service übernimmt, jedenfalls stemmt sie den – wenngleich auch übersichtlichen – Service komplett alleine. Sie kam auch regelmäßig zum Tisch und fragte, ob wir noch etwas bestellen mögen und war an sich auch recht aufmerksam. Dennoch lief leider einiges nicht, wie man es sich wünschen würde. Die erste Runde Kaffee lief recht durcheinander und bevor sich alle sortiert hatten – und ohne, dass es eine Karte gegeben hätte – nahm sie die ersten Bestellungen entgegen – leider nur vom halben Tisch, die übrigen brauchten noch etwas Zeit, ohne dass sie einen Moment wartete. Darauf angesprochen konterte Sie mit einem flotten „Sie hatten ja nichts gesagt“. Die Tische stehen sehr eng, was dazu führt, dass sie von den 8 Leuten gerademal vier erreichen konnte, den anderen musste sie die Bestellungen über den Tisch reichen. Dass die gefüllte Metallteekanne auf einem Metalltablett auch dazu führen könnte, dass das Tablett unten recht heiß ist, kann man sich zwar denken – ein Hinweis, wenn man selbiges überreicht bekommt, wäre dennoch ganz nett gewesen – und nicht nur die Erklärung nachdem man sich die Finger verbrannt hat.

Was nicht zu entschuldigen ist, sind Ketchup (zu den Pommes) und Zitronensaft (zum Schwarztee). Bei beiden Tütchen war das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen. Der Ketchup war ‚nur‘ rund drei Monate nach dem Ablaufdatum, beim Zitronensaft waren es über 1,5 Jahre (!). Das darf nicht passieren. Ich weiß, dass es in den meisten Fällen kein Problem ist, auch Produkte mit abgelaufenem MHD zu essen – gerade auch bei abgepackten Tütchen ist das sicherlich nicht gesundheitsgefährdend – aber im Restaurant sollte das niemals serviert werden. Das zeugt von massiver Betriebsblindheit und deutet auch darauf hin, dass die Bestände nicht regelmäßig überprüft wurden. Wie lange meine Teebeutel schon offen standen, mag ich mir lieber nicht vorstellen – zumindest würde es aber erklären, wieso der Tee recht geschmacklos war.

Insgesamt führen alle aufgeführten Kritikpunkte leider dazu, dass ich den Besuch dort nicht wirklich weiterempfehlen kann. Manches mag sich wie Kleinkram anfühlen, manches ist gravierender, aber insgesamt bleibt kein besonders positiver Gesamteindruck hängen. Vor allem wenn man all diese Kritikpunkte zusammennimmt, hinterlässt das Lokal einen negativen Gesamteindruck. Klar, man kann dort recht passabel zu Abend essen und es gibt einen warmen Ort, an dem man einen Kaffee trinken kann, mehr aber leider auch nicht. Dabei wäre das Potenzial durchaus da. Das Einzugsgebiet ist ganz passabel, mit einem günstigen Mittagstisch wäre vielleicht noch etwas rauszuholen – für das Kaffeegeschäft könnte man den nahgelegenen Bäcker hinsichtlich einer Kuchenkooperation ansprechen. Es gäbe sicherlich Potenzial – mit einem weniger modern anmutenden Konzept und einer dörflicheren Atmosphäre wäre es vermutlich auch möglich, Leute aus umliegenden Dörfern herzulocken – so bleibt es bei einem Lokal, dessen einziges Alleinstellungsmerkmal es ist, dass es recht zentral in Wißmar liegt. Warum man sich nicht nach Gießen aufmachen sollte, wurde mir leider nicht deutlich.

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