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Staatstheater: EVITA

Klassischerweise hat das Staatstheater in jeder Spielzeit zumindest ein recht großes Musical im Programm, manchmal auch zwei. Nach Hair, Flashdance und Cabaret war es also in der Spielzeit 2016/17 das Stück EVITA, komponiert von Andrew Lloyd Webber, das Libretto stammt von Tim Rice und wir hörten die übersetzte Fassung von Michael Kunze – der übrigens einige Jahre später mit Elisabeth seinen ersten großen eigenen Erfolg hatte.

EVITA ist ein Stück, das auf einer realen Person basiert. Eva Maria Duarte, argentinische Schauspielerin aus ärmlichen Verhältnissen schläft zunächst mit einem Tangosänger und sich so immer weiter hoch, bis sie eine regelmäßige Radiosendung moderiert und bei dieser Gelegenheit den Oberst Juan Perón trifft und sie erkennen, dass sie sich in ihren Karrieren gut ergänzen würden. Peron zieht in den Wahlkampf, Eva, die die Mehrheit der Armen und Arbeitenden zu vertreten scheint, an seiner Seite. Sie gewinnen und Eva, inzwischen fast schon als heilige Evita verehrt, geht auf Auslandstournee, um Verbündete in aller Welt für ihr Land zu gewinnen – was aber nur teilweise gelingt. Infolge dieser Tournee wird sie zunehmend schwächer, strebt aber weiter nach dem Amt der Vizepräsidentin – die fortschreitende Erkrankung hindert sie aber daran und führt sie schließlich zum Tod.

Bei der Inszenierung eines Musicals hat der Regisseur in aller Regel weitaus weniger Freiheiten wie bei einem klassischen Theaterstück – während sich gerade bei den Klassikern niemand mehr daran stören kann, was aus seinen Stücken auf der Bühne wird, steht in den Aufführungsverträgen von Musicals sehr häufig etwas von werktreuer Inszenierung. Das heißt, dass vorgegebene Regieanweisungen nicht einfach ignoriert werden dürfen und das Werk muss auch in der vom Verlag angebotenen Form aufgeführt werden; Streichungen oder Ergänzungen sind nur in sehr engen Rahmen möglich und man kann das Stück auch nicht einfach in eine andere Zeit oder an einen anderen Ort transferieren. Insofern ist es wenig verwunderlich, wenn ich sage, dass die Inszenierung wenig Überraschungen bietet. Im Gegensatz zu häufig minimalistischen Inszenierungen im Staatstheater, werden hier alle Register gezogen. Es gibt Feuer auf der Bühne, Elemente fahren hoch und herunter, Parallelszenen spielen in parallelen Umgebungen, es kommen immer neue Bühnenbilder und mit Nebeleffekten wird auch nicht gespart. Insgesamt war das eine schöne runde und stimmige Inszenierung des Stücks.

Auch an der Besetzung gibt es wenig auszusetzen. Gerade Dominik Hees als Ché hat mich vollends überzeugt, aber auch die kleineren Rollen wie Peron oder Magaldi waren gut besetzt. Einzig Evita (Eve Rades) hat es nicht in jeder Szene geschafft, mich zu überzeugen. Gerade in der großen „Wein nicht um mich Argentinien“-Szene zu Beginn des zweiten Aktes, bei der Evita vom Balkon zur Bevölkerung spricht, wirkte sie insgesamt etwas farblos. Effektvoller wäre es gewesen, man hätte sie nicht frontal in Uniform singen lassen, sondern sie im Profil im typisch weißen Evita-Kleid auftreten lassen, das hätte die Szene in meinen Augen deutlich gestärkt. Der Chor wirkte am Anfang etwas schwach auf der Brust, war aber im zweiten Akt deutlich stärker wahrzunehmen.

Etwas schade fand ich, dass „Santa Evita“ nicht vom Kinderchor gesungen wurde (der hätte auch gerne vom Band kommen können – man hat doch ohnehin schon die Videoprojektion intensiv genutzt!), sondern dann sehr ironisch von Ché vorgetragen wurde. Und einen kleinen Fehler bei der Bedienung des Zuspielers verzeihe ich auch gerne – zumal ich bezweifele, dass ich den Fehler bemerkt hätte, wenn ich das Stück nicht so gut kennen würde.

Generell jammere ich hier auf ziemlich hohem Niveau und kann das auch nur, weil mir das Stück sehr vertraut ist. Wer Evita noch nie gesehen hat, wird kaum etwas von diesen Kritikpunkten bemerken und konnte sich knappe 2,5 Stunden (inklusive Pause, das Stück hat eine Laufzeit von gerademal 2 Stunden) von einem guten Ensemble mit treffenden Kostümen und einer großartigen Band ins Argentinien der 40er-Jahre hineinversetzen lassen. Die Dramaturgie geht auf und das Stück wirkt trotz seiner fast 40 Jahre, die es inzwischen alt ist, nicht verstaubt oder unzeitgemäß.

Aber Vorsicht: Das Stück ist durchkomponiert, es gibt keine erklärenden Sprechtexte und auch keine Übertitel – man muss also schon ein wenig hinhören, um die Handlung zu verstehen. Die Balance von Bandlautstärke und Gesang gelang dem Staatstheater gut, aber jedes Wort mitzunehmen, ist vermutlich schwierig. Doch mit der eben gelieferten Handlungszusammenfassung wisst ihr ja jetzt, worauf ihr euch einlasst und könnt das Stück einfach genießen. Nun, theoretisch zumindest, denn zumindest für diese Spielzeit ist Evita bereits abgespielt. Aber falls mal eine Amateurgruppe oder ein Theater in eurer Nähe das Stück im Programm habt, fahrt doch mal hin – die Theaterverlage garantieren eine gewisse Qualitätssicherung, sodass es nicht unterirdisch sein kann – und berichtet in der Kommentarspalte wie es war.

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